US-Regierung will Detroit nicht helfen (2024)

Bankrotte "Motor-City" zieht "Kapitel 9" US-Regierung will Detroit nicht helfen

19.07.2013, 17:25 Uhr

Einst eine blühende Auto-Metropole, heute eine heruntergekommene Stadt ohne Perspektive: Detroit befindet sich seit Jahren in einem beispiellosen Niedergang. Polizei und Feuerwehr können kaum bezahlt, Straßen kaum beleuchtet werden. Die Insolvenz ist der letzte Rettungsanker. Ein warnenden Beispiel für deutsche Kommunen?

Kurz und knapp: Detroit hat Konkurs angemeldet. Es ist der größte Bankrott einer Stadt in der US-Geschichte. Die Schulden belaufen sich auf schätzungsweise 18,5 Mrd. Dollar. Der zuletzt eingesetzte Sonderfinanzverwalter Kevyn Orr spricht von einem jahrzehntelangen Missmanagement in der Stadt. Die Folge: Immer weniger Jobs, viele Menschen sind weggezogen und die Einnahmen damit noch stärker gesunken. Diesen Teufelskreis will die Stadt nun durchbrechen, indem sie Gläubigerschutz beantragt.

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Wirtschaft 19.07.13

Letzte Ausfahrt Insolvenz Detroit sucht den Befreiungsschlag

Detroit ist trotz der Krise noch immer die größte Stadt im Bundesstaat Michigan - Heimat von General Motors (GM). Auch Ford ist im Umland angesiedelt. Rick Snyder, der Gouverneur von Michigan, erklärte, es habe für Detroit angesichts der drückenden Schuldenlast keine vernünftige Alternative mehr gegeben. "Detroit kann einfach nicht genug Geld einnehmen, um die momentanen Verpflichtungen zu decken." Ohne den Insolvenzantrag würde die Situationen allen Voraussagen zufolge nur noch schlechter werden, ergänzte der Republikaner.

Kapitel 9 soll die Wende bringen

Die Ausgaben für den Betrieb der städtischen Dienste haben seit 2008 die Einnahmen jährlich um rund 100 Mio. Dollar überstiegen. Zudem zehren Zinszahlungen fast 20 Prozent des Haushalts auf. Darüber hinaus belasten milliardenschwere Pensionsverpflichtungen die Stadtkasse. Sonderverwalter Orr sagte, er hoffe, Detroit komme durch die Maßnahmen wieder auf die Beine und könne im Sommer oder Herbst 2014 aus der Insolvenz herauskommen. Er ist ein auf Insolvenzen spezialisierter Anwalt. Orr wurde im März berufen und hat derzeit wohl einen der schwierigsten Jobs im Lande.

Helfen soll nun das Kapitel 9 des US-Insolvenzrechts (Chapter 9). Dieses erlaube eine Neustrukturierung der Verbindlichkeiten, erläuterte NordLB-Analyst Bernd Krampen. "Danach ist der Weg zum Aussetzen von Zahlungen an einzelne Gläubiger und das Aufbrechen von Verträgen möglich, was den Abwärtstrend stoppen soll." Auf die zahlreichen Gläubiger der Stadt dürften dementsprechend nun riesige Verluste zukommen. Zähe Verhandlungen mit dem Sonderverwalter sowie langjährige Gerichtsverfahren werden erwartet. Die Zinsen für Detroit-Anleihen sind bereits am Donnerstag auf neue Höchststände geschossen.

HRE-Bad-Bank betroffen

In Deutschland ist nach einem Bericht des "Handelsblatts" die Bad Bank der kollabierten Hypo Real Estate von der Pleite Detroits betroffen. Die FMS Wertmanagement halte Anleihen der Stadt in Höhe von 200 Mio. Dollar, teilte deren Sprecher mit. Die Wertpapiere seien aber bereits zuvor wertberichtigt gewesen. Weitere Konsequenzen des Geschehens in Detroit würden aktuell detailliert analysiert.

Nicht nur die europäischen Staaten sind überschuldet, auch in den USA sind Pleiten keine Seltenheit mehr. New York, Cleveland und Philadelphia taumelten bereits Richtung Bankrott, Detroit ist aber die erste Großstadt, die tatsächlich einen Insolvenzantrag stellt. Zuletzt meldeten sich schon die kleineren kalifornischen Städte Stockton und San Bernardino zahlungsunfähig.

In Deutschland werde es keine vergleichbaren Fälle geben, versicherte Stephan Articus, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages. Trotz aller Finanzprobleme könnten Städte hierzulande nicht pleitegehen. "In Deutschland ist die Insolvenz von öffentlichen Gebietskörperschaften gesetzlich ausgeschlossen. Das heißt, dass im Extremfall die Länder für die Kommunen einstehen müssen."

Auf solche Hilfen oder ein Eingreifen der Obama-Regierung kann Detroit nicht zählen. Ein Sprecher des Präsidialamtes sagte, Barack Obama beobachte die Situation sehr genau. Anders als in der Finanzkrise machte der US-Präsident dieses Mal aber keine Versprechen. 2008 hatte er umgehend Steuergelder in Milliarden-Höhe zugesagt, um GM und Chrysler aufzufangen - und so Jobs zu retten.

"Tin Lizzy" ist lange Geschichte

Detroit, im Nordosten der USA an der Grenze zu Kanada gelegen, war einst eine blühende Industrie-Metropole, begründet vor allem durch die "Big Three", die drei großen US-amerikanischen Autobauer General Motors, Ford und Chrysler. Noch immer haben sie in Detroit und im Großraum Detroit ihren Sitz. Vor 100 Jahren startete Henry Ford in Detroit mit der Fließband-Produktion seines "Tin Lizzy" (Blechliesl) genannten Model-T und schrieb damit Geschichte.

Noch in den 50er Jahren war Detroit mit 1,8 Millionen Einwohnern die zweitgrößte Stadt der USA, stolz "Motown" oder "Motor City" genannt. Seither aber ging es in mehreren Krisenwellen steil bergab. In den vergangenen Jahrzehnten erlebte die Stadt einen einzigartigen Niedergang. Mit den Krisen der Autoindustrie schlossen viele Fabriken oder wurden in die umliegenden Städte verlagert, Tausende verloren ihre Jobs, ganze Wirtschaftszweige wanderten ab, die Steuereinnahmen brachen ein.

Mit einer Arbeitslosenquote von 18,6 Prozent im vergangenen Jahr belegte Detroit den dritten Platz nach Oakland und Fresno (beide Kalifornien). Heute zählt Detroit nur noch rund 685.000 Einwohner. Seit langem gehört Detroit zudem zu den größten sozialen Brennpunkten der Vereinigten Staaten mit einer hohen Kriminalität.

Zwar geht es den drei großen Autokonzernen nach dem Absturz in der Finanzkrise vor ein paar Jahren inzwischen wieder vergleichsweise gut. Dies liegt aber auch daran, dass sie sich gesundgeschrumpft haben. Der Niedergang der Stadt wurde nicht gestoppt. Nur noch einmal im Jahr ist Detroit Mittelpunkt der Autowelt, wenn sich im Januar bei der traditionellen Detroit Auto Show die Branche trifft.

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